Das Lymphödem

Das Lymphödem ist ein wenig bekanntes Krankheitsbild. Viele Betroffene kommen nach der Diagnose das erste Mal mit diesem Thema in Kontakt und haben viele offene Fragen. Wie funktioniert das Lymphsystem? Woher kommt die Schwellung? Wie sieht die Behandlung bei Lymphödem aus? Auf diese und viele weitere Fragen finden Sie hier eine Antwort.

Das gesunde Lymphsystem

Wasser – Hauptbestandteil des Körpers

Der Hauptbestandteil des Körpers ist Wasser. Bei Frauen beträgt der Wasseranteil ca.50-55%, bei Männern 60-65%, bei Kindern ist er sogar noch höher. Das Wasser findet sich in Zellen, Hohlräumen, als Teil des Bluts in den Gefässen und als interstitielle Flüssigkeit im Zwischenzellraum (Interstitium). Die Hauptaufgabe des Wassers bleibt immer die gleiche, nämliche der Transport von gelösten Stoffen. Das können Nährstoffe, Sauerstoff oder Abfallstoffe sein. Um diese Aufgabe zu erfüllen, ist das Körperwasser ständig in Bewegung. Es fliesst als Blutplasma bis zu den Kapillaren, den feinsten Blutgefässen. Hier tritt es in den Zwischenzellraum des Gewebes aus um Nährstoffe zu den Zellen zu transportieren und Abbauprodukte aufzunehmen. Ein Teil dieser interstitiellen Flüssigkeit wird anschliessend von den Venenkapillaren wieder aufgenommen.

Die lymphpflichtige Last

Ca.10% der interstitiellen Flüssigkeit und darin gelöste Stoffe wie Eiweisse, Fette, oder auch Zelltrümmer können aufgrund ihrer Grösse nicht von den feinen Venenkapillaren aufgenommen werden, sie werden auch lymphpflichtige Last genannt. Hier kommen die Lymphkapillaren ins Spiel. Sie haben einen grösseren Durchmesser als die Venenkapillaren und können die interstitielle Flüssigkeit samt den darin gelösten Stoffen aufnehmen.

Lymphbildung

Dieser Vorgang wird auch Lymphbildung genannt, sobald sich die Flüssigkeit im den Lymphgefässen befindet, wird sie nämliche Lymphe genannt. Die Lymphe wird in den sich sammelnden Lymphgefässen in Richtung Venenwinkel transportiert, wo sie schliesslich wieder in den Blutkreislauf abgegeben wird. Auf ihrer Reise durch die Lymphgefässe passiert die Lymphe immer mindestens einen Lymphknoten. Die Lymphknoten enthalten Immunabwehrzellen und „reinigen“ die Lymphe vor Krankheitserregern, die sie allenfalls aus dem Zwischenzellraum mittransportiert hat.

Das Lymphödem

Wie oben beschrieben, ist es ein lebenswichtiger Vorgang, dass Flüssigkeit aus den Blutgefässen ins Interstitium austritt, um die Zellen mit Nährstoffen zu versorgen. Bei einem Lymphödem, ist allerdings der Abfluss der lymphpflichtigen Last eingeschränkt, sodass mehr Flüssigkeit in den interstitiellen Raum Austritt, als abtransportiert werden kann. Deshalb schwillt die betroffene Körperregion immer stärker an und der Gewebedruck steigt.

Symptome und Diagnose

An der weichen, dellbaren Schwellung im Bereich des Knöchels (bei Beinlyphödem) ist das Lymphödem gut zu erkennen. Weitere Symptome, wie ein positives Stemmer- und/oder Kastenzeichen erhärten die Diagnose des Lymphödems.

Stemmer-Zeichen

Das Stemmer-Zeichen ist positiv, wenn sich die Haut auf der Oberseite der Zehen durch Zusammenkneifen nicht mehr abheben lässt.

Das Kasten-Zeichen

Von Kastenzeichen wird gesprochen, wenn die Zehen aufgrund der Schwellung und dem gegenseitigen Druck kastenartig verformt sind. Im Anfangsstadium weist die Haut im ödematösen Beriech noch keine Veränderungen auf und erscheint höchstens etwas blasser als an den gesunden Extremitäten. Schweregefühl, Kribbeln oder Taubheitsgefühl, schnelles Ermüden der Extremität und ein geschwollener Fuss-/Handrücken sind ebenfalls erste Hinweise auf ein Lymphödem.

Primäres Lymphödem

Ein Lymphödem kann angeboren, also primär sein. Die Lymphgefässe sind in diesem Fall nicht korrekt ausgebildet oder nicht in genügender Anzahl vorhanden. Nicht immer zeigt sich ein primäres Lymphödem im Baby- oder Kleinkindalter. Häufig führen hormonelle Veränderungen wie die Pubertät oder eine Schwangerschaft dazu, dass sich die angeborene Veränderung der Lymphgefässe als Lymphödem manifestiert.

Sekundäres Lymphödem

Das sekundäre Lymphödem kann direkt mit einem Ereignis aus der Vergangenheit in Verbindung gebracht werden. Unfälle, Operationen u.a. Krebsoperationen mit entfernen von Lymphknoten oder Infektionen können Lymphgefässe oder Lymphknoten zerstören und ein Lymphödem auslösen.

Stadieneinteilung

Das Lymphödem wird in vier Stadien eingeteilt.

  • Stadium 0, Latenzstadium: Die Lymphgefässe sind geschädigt, es tritt aber noch keine Schwellung auf. In diesem Stadium kann das Lymphödem nur durch spezielle Untersuchungsverfahren festgestellt werden.
  • Stadium 1, reversibles Stadium: Die Schwellung ist sichtbar. Bei Druck mit einem Finger bildet sich eine Delle. Wird die betroffene Extremität hochgelagert, bildet sich die Schwellung vollständig zurück.
  • Stadium 2, irreversibles Stadium: Durch Gewebeneubildung hat sich die Schwellung verhärtet und bleibt auch beim Hochlagern der Extremität bestehen. Das Ödem hat Auswirkungen auf die Hautgesundheit. Verhärtungen, Verfärbungen oder ein schuppiges Hautbild sind im Stadium 2 häufig.
  • Stadium 3, Elephantiasis: Es bildet sich extrem viel neues Gewebe, das die Extremität in grossen Wülsten und Lappen umgibt, sodass die Bewegungsfreiheit stark eingeschränkt ist. Die Haut ist stark verändert und kann warzenförmige Wucherungen aufweisen. Die Elephantiasis ist in Industrieländern glücklicherweise relativ selten und betrifft vor allem Patienten, die über Jahre unzureichend behandelt werden oder sich der medizinischen Behandlung ganz entziehen.

Lokalisation

In den meisten Fällen betrifft das primäre Lymphödem die Beine. Etwa gleich häufig ist der Arm betroffen, allerdings vom sekundären Lymphödem. In ca. 4% der Fälle sind Kopf, Genitalbereich oder mehrere Körperregionen geschwollen.

Häufigkeit

Über die Häufigkeit des Lymphödems herrscht kein Konsens. Manchmal liest man von Zahlen, die vermuten lassen, dass es sich beim Lymphödem um eine wahre Volkskrankheit handelt. Diese Aussagen haben aber keinen wissenschaftlichen Hintergrund. Zuverlässige Quellen sprechen von einer Häufigkeit von 0,5 ‰ beim primären Lymphödem und einer etwa doppelt so hohen Verbreitung des sekundären Lymphödems.

Behandlungsmöglichkeiten

Das Lymphödem ist unheilbar, aber gut behandelbar. Durch eine frühzeitige Diagnose und Behandlung können irreversible Veränderungen vorgebeugt werden. Suchen Sie deshalb rechtzeitig einen Arzt auf, wenn Sie an Schwellungen der Beine oder des Arms leiden.

Komplexe physikalische Entstauungstherapie

Die komplexe physikalische Entstauungsterhapie (KPE) gilt seit Jahren als Goldstandard in der Behandlung des Lymphödems und ermöglicht den Betroffenen ein gutes Leben mit wenig bis kaum Beschwerden und Einschränkungen. Die Therapie setzt sich aus verschiedenen Anwendungen zusammen und wird in zwei Phasen aufgeteilt, wobei die erste Phase alle paar Monate bis Jahre wiederholt wird.

2 Phasen

Phase I: Entstauung

Nach der Diagnose des Lymphödems beginnt die erste, intensive Entstauungsphase der KPE. Täglich ein- bis mehrmals Lymphdrainage, sowie mehrschichtige Kompressionsverbände die zwischen den einzelnen Drainagebehandlungen angelegt werden, helfen die Flüssigkeit aus der Schwellung zu drängen. In manchen Fällen verbringt der Patient einige Wochen in einer spezialisierten Lymphklinik. Dort können sie sich intensiv behandeln lassen und werden in speziellen Kursen geschult. Entstauende Bewegungsübungen werden erlernt und spezielle Vorsichtsmassnahmen erläutert.

Phase II: Erhaltung

Sobald das Ödem maximal entstaut ist, beginnt die Erhaltungsphase. Jetzt muss die Lymphdrainage seltener in Anspruch genommen werden. Die Kompressionsverbände werden durch passende Kompressionsstrümpfe ersetzt und der Patient übernimmt einen Teil der Verantwortung für die Therapie selbst. Arzt, Therapeut und Fachstellen stehen für Kontrollen in weiten Abständen und allfällige Fragen jederzeit zur Verfügung.

Die Lymphdrainage

Mit der Lymphdrainage wird Flüssigkeit aus dem Gewebe geleitet. Bei der manuellen Lymphdrainage (MLD) wird mit sanften Massagegriffen die Kontraktion der Lymphgefässe und damit indirekt der Abfluss von lymphpflichtiger Last angeregt. Die apparative Lymphdrainage (apparative intermittierende Kompressionstherapie, AIK) regt mit ihrer wellenförmigen Druckmassage ebenfalls die Aktivität der Lymphgefässe an. Gleichzeitig verschiebt sie aufgrund des Drucks Flüssigkeit aus dem Ödem in Richtung Rumpf, zu gesunden Lymphgefässen hin.

In Lymphkliniken werden sowohl die manuelle, als auch die apparative Lymphdrainage ergänzend angewendet. Zu Hause müssen viele Patienten dann auf die AIK verzichten und besuchen nur noch die MLD.

Lymphdrainage für zu Hause

Dank neuartigen Lymphdrainagegeräten für zu Hause, findet die AIK jetzt langsam dem Weg in die heimischen Wohnzimmer. Geräte wie das VASOprime wave4 sind so einfach in der Anwendung, dass Sie von Lymphödempatienten selbständig zu Hause angewendet werden können. Ein modernes Design und kleine Abmessungen sind weitere Vorteile des handlichen VASOprime wave4 Lymphdrainagegeräts.

Kompressionsstrümpfe

Das feste Gestrick von Kompressionsstrümpfen verhindert das erneute Anschwellen der Extremität nach der Lymphdrainage. Grundsätzlich werden bei einem Lymphödem flachgestrickte Kompressionstrümpfe empfohlen. Die Erfahrung hat aber gezeigt, dass in den meisten Fällen ein Rundstrickstrumpf in einer festen Qualität das gleiche Ergebnis bringt, bei höherem Komfort und besserer Akzeptanz durch den Patienten.

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Hautpflege

Bei einem Lymphödem ist die Versorgung der Haut mit Nährstoffen eingeschränkt. Weiter können sich Stoffe einlagern, welche die Haut verändern und den Heilungsprozess selbst bei kleinsten Verletzungen stark verzögern können. Deshalb gehört die regelmässige Hautpflege ebenfalls zur KPE dazu. Nach dem gründlichen Waschen sollte die Extremität immer sorgfältig abgetrocknet und anschliessend mit einer geeigneten Creme gepflegt werden. So lassen sich Trockenheit, Schuppen und kleinste Hautrisse vorbeugen.

Bewegungsübungen

Die Bewegung der Muskeln regt die Lymphgefässe an und begünstigt den Abfluss von Flüssigkeit aus dem Ödem. Während der ersten Phase der KPE wird deshalb jeder Lymphödempatient in speziellen Entstauungsübungen angeleitet. Diese werden dann zu Hause täglich selbständig ausgeführt.

Psychologische Betreuung

Nicht alle Patienten finden sich gleich gut mit der Diagnose Lymphödem zurecht. Viele Lymphkliniken bieten deshalb auch eine psychologische Betreuung an. Andere Betroffene organisieren sich lieber selbständig in Selbsthilfegruppen oder Internetforen.

Operative Verfahren

Bei chronischen Erkrankungen wie dem Lymphödem wünscht sich wohl jeder Patient eine Heilung. Verschiedene Kliniken probieren durch das Verpflanzen von Lymphgefässen oder Lymphknoten eine Verbesserung für den Patienten zu erzielen. Es gilt aber zu sagen, dass es sich um wenig erprobte Eingriffe handelt. Im schlechtesten Fall entsteht am Bein wo die Lymphgefässe zur Verpflanzung entnommen wurden auch ein Lymphödem. Deshalb werden Operationen bei Lymphödem nur sehr zurückhalten durchgeführt.

Alternative Heilmethoden

Grundsätzlich spricht nichts gegen die Anwendung von alternativmedizinischen Behandlungsmethoden bei einem Lymphödem, wenn der Betroffene dies wünscht. Es gelten allerdings auch hier die gleichen Vorsichtsmassnahmen wie bei anderen Wellness- und Gesundheitsanwendungen. Es darf keine Wärme oder Hitze angewendet werden (z.B. Hot Stone), weiter darf die Haut nicht verletzt werden, wie es z.B. bei der Akupunktur oder beim Ansetzen von Blutegeln der Fall ist. Auch starke Manipulation des Gewebes, z.B. durch knetende Massagen, Schröpfen oder ähnliches können das Lymphödem verschlechtern. Bei salzhaltigen Präparaten (z.B. Schüssler Salze) ist Vorsicht geboten, da sie sich auf den Wasserhaushalt des Körpers auswirken.


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