Ein offenes Bein lässt sich verhindern

Ein offenes Bein (Ulcus cruris venosum) lässt sich mit den richtigen Massnahmen verhindern oder heilen. Das Therapiekonzept ist eigentlich einfach. Wie eine Umfrage unter Fachpersonen zeigt, aber selbst den Profis nicht immer geläufig. Im Bereich der Kompressionstherapie kennen sich viele Ärzte und Pflegefachpersonen nicht aus. Insbesondere die Kenntnis über die verschiedenen Materialien fehlt. Dabei sind die richtigen Hilfsmittel entscheidend, um die Therapietreue des Patienten zu fördern (1). Hier erfahren Sie, welche Mittel die Kompressionstherapie erleichtern, denn der Verband hat so gut wie ausgedient.

Auch Fachpersonen kennen sich mit den zur Verfügung stehenden Mitteln häufig nicht aus!

Ursache kennen

Das offene Bein kann durch eine venöse oder arterielle Schwäche verursacht werden. Um ein offenes Bein zu verhindern oder zu heilen, muss man deshalb wissen, was die Ursache für die Hautveränderungen sind. Die Diagnose kann nur ein erfahrener Arzt (Angiologe) stellen. Am häufigsten ist mit ca. 80% das Ulcus cruris venosum, also das offene Bein aufgrund einer Venenschwäche. Die hier gemachten Angaben beziehen sich entsprechend nur auf die venöse Form des Ulcus.

So entsteht ein offenes Bein

Schwache Venen sind zu Beginn an den Besenreisern und Krampfadern zu erkennen. Bleibt eine Therapie aus, schreitet die Venenschwäche immer weiter fort. Da das Blut in den Gefässen rückwärts fliesst und sich staut, ist der Druck erhöht und es werden Blutbestandteile ins umliegende Gewebe gepresst. Das sieht man an den Schwellungen und an den rötlich-braunen Hautverfärbungen (Purpura jaune d’ocre). Die Haut ist nicht mehr ausreichend mit Nährstoffen versorgt und es lagern sich Abbauprodukte ab. Jetzt reicht ein leichtes Anstossen, z.B. am Stuhlbein, um eine Wunde zu verursachen. Weil das Gewebe nicht richtig versorgt wird, heilt die Wunde nicht, sondern wird immer grösser.

Werden Hautveränderungen bemerkt, kann die Kompressionstherapie die Durchblutung verbessern und so helfen ein offenes Bein vorzubeugen.

Kompressionstherapie

Die Kompressionstherapie ist das wichtigste Mittel um ein offenes Bein vorzubeugen, aber auch um es zu heilen. Kompression fördert die venöse Durchblutung, verbessert so die Versorgung der Haut und begünstigt die Wundheilung. Denn nur wenn das Gewebe ausreichend durchblutet ist, können sich die Zellen erneuern und so einen Wundverschluss erreichen. Für die Kompressionstherapie stehen verschiedene Hilfsmittel zur Verfügung.

Kompressionsstrümpfe

Kompressionsstrumpf bei Ulcus
Ein Strumpf der gerne getragen wird führt zum Erfolg – wie der mediven active

Kompressionsstrümpfe erzeugen von aussen einen Druck aufs Bein, was die venöse Durchblutung begünstigt. Es stehen zahlreiche verschiedene Arten von Kompressionsstrümpfen zur Verfügung. Bei einer fortgeschrittenen Venenerkrankung sollte ein Strumpf mit mittlerer bis hoher Stiffness gewählt werden (z.B. VenoTrain Soft, Juzo Soft, Venosan 7002, mediven for men, Varisan Top Cotton). Diese Strümpfe können aber nicht von allen Patienten problemlos angezogen werden. Verschiedene Tricks erleichtern das Anziehen.

  1. Gummihandschuhe verwenden: Der Halt am Strumpf wird verbessert und man kann ihn einfacher nach oben ziehen.
  2. Anziehhilfe verwenden: Anziehhilfen werden selten empfohlen aber oft benötigt. Es gibt verschiedene Modelle, die das Anziehen über die Ferse erleichtern (z.B. Sim-Slide, Magnide, Doff n’Donner), oder dank denen man die Strümpfe auch anziehen kann wenn man die Füsse nicht mehr mit den Händen erreicht (z.B. Varisan Anziehhilfe, Socks-Jet, Simon).
  3. Klasse 1 wählen: Bei schweren venösen Erkrankungen wird ein Kompressionsstrumpf der Klasse 2 benötigt. Wird dieser nicht vertragen, oder ist das Anziehen unmöglich, kann auf einen Strumpf der Klasse 1 ausgewichen werden. Lieber einen leichten Strumpf tragen als einen starken Strumpf im Schrank liegen haben.
  4. Ulcus Set: Ulcus Sets bestehen aus zwei Unterstrümpfen und einem Überstrumpf. Die Unterstrümpfe sind hochelastisch und haben eine leichte Kompression, entsprechend einfach sind sie anzuziehen. Der Überstrumpf ist eher stabil und hat eine mittlere Kompression. Zusammen ergibt das eine hohe Kompressionswirkung. Da die Kompression auf zwei Strümpfe aufgeteilt wird, ist das Anziehen trotzdem einfach. Ausserdem bietet der Unterstrumpf dem Überstrumpf eine gute Unterlage, um einfach ans Bein zu gleiten. Ulcus Sets sollten wegen der hohen Wirksamkeit und dem einfachen Anlegen auch für Personen mit venöser Schwäche ohne offenes Bein in Betracht gezogen werden, wenn das Handling von normalen Kompressionsstrümpfen nicht gelingt. Mehr dazu im Artikel Kompressionsverband oder Ulcus Set.
    Geeignet sind z.B. Venosan 8002 oder Actico Ulcer Sys.

Adaptive Kompressionssysteme

Die Kompressionstherapie ist die wichtigste Massnahme um ein offenes Bein vorzubeugen oder zu heilen. Sie darf deshalb nicht einfach weggelassen werden. Für Patienten die nicht mit Kompressionsstrümpfen behandelt werden können, z.B. aufgrund von starken Schwellungen, eignen sich adaptive Kompressionssysteme. Diese Klettbandagen haben die gleiche Wirkung wie ein Kompressionsstrumpf mit hoher Stiffness, lassen sich dank dem vorderseitigen Klettverschluss aber ganz einfach anziehen. Ausserdem passen sich die Klettbandagen jederzeit an die individuellen Beinumfänge an, sodass sie auch noch genutzt werden können, wenn die Beinumfänge wie gewünscht durch die Therapie abnehmen.

Juzo ACS Light
Juzo ACS Light: Einfache Anwendung sorgen für beste Therapietreue

Speziell für die Therapie von venösen Erkrankungen gibt es das Circaid Juxtacures Kompressionssystem. Wem das Zuschneiden der Bandage zu kompliziert ist, kann auch ein fixfertiges Modell wie Circaid Juxtafit, ReadyWrap oder Juzo ACS Light wählen.

Apparative intermittierende Kompressionstherapie

So funktioniert ein Lymphdrainage-Gerät

Ein sehr effizientes, aber leider immer noch selten eingesetztes Mittel um die venöse Durchblutung zu fördern, ist die apparative intermittierende Kompressionstherapie (AIK). Sie kann sowohl zur Vorbeugung, wie auch zur Behandlung des offenen Beins eingesetzt werden. Für die Therapie benötigt man ein Kompressionsgerät mit dazugehöriger Mehrkammer-Manschette wie z.B. das VASOprime wave 4.

Die AIK wird immer als Ergänzung zur ganztägigen Kompression mit Strümpfen oder einem andern oben beschriebenen Kompressionsmittel eingesetzt. Sie steigert einerseits die Heilungschance und senkt andererseits die Heilungsdauer (2).

Verbände

Verbände sind ein geeignetes Mittel um die venöse Durchblutung zu fördern, wenn sie korrekt angelegt und in kurzen Abständen erneuert werden. Die Versorgungsrealität sieht leider oft anders aus. Verbände mit unzureichendem Druck, fehlender Polsterung oder ungeeigneten Binden bieten einerseits eine schlechte Wirksamkeit und sind andererseits für den Patienten unbequem. Das schlägt auf die Motivation und kann der Grund sein, weshalb der Betroffene bei der Therapie nicht mehr richtig mitmacht.

Kompressionsverbände eignen sich deshalb eher für die kurzzeitige Behandlung von wenigen Tagen, bis der geeignete Strumpf oder das geeignete Kompressionssystem geliefert wird.

Wundauflage

Ist das Bein offen, sollte die Wunde sauber abgedeckt werden, um eine Infektion zu verhindern. Schnellstmöglich (nicht erst nach Wochen) ist ein Arzt aufzusuchen, der die geeignete Therapie verordnen kann. Er kann auch passende Wundauflagen verordnen, die ein optimales Milieu für die Wundheilung schaffen.

Achtung: Verzichten Sie in jedem Fall darauf selbstgekaufte Salben, Puder oder ähnliches auf die Wunde zu geben.

Wundreinigung

Gerade grössere Ulcera die schon länger bestehen, sind oft belegt und müssen professionell gereinigt werden. Diese Arbeit ist einem Arzt oder einer Wundexpertin vorbehalten.

Fazit

Mit Kompression lässt sich ein offenes Bein (Ulcus cruris venosum) in vielen Fällen verhindern resp. behandeln. Wichtig ist, dass man das für sich am besten passende Kompressionstherapiemittel findet, das einerseits selbständig angewendet werden kann, andererseits den gewünschten Komfort im Alltag bietet. Ergänzend dazu kann die AIK eingesetzt werden. Ein (drohendes) offenes Bein gehört in die Hand eines Spezialisten. Lassen Sie sich frühzeitig von einem Arzt untersuchen und behandeln.


Quellennachweis

  1. Reich-Schupke S et al. (2017): Erhebung zur Kompressionstherapie bei Ärzten, Therapeuten und medizinischem sowie pflegerischem Fachpersonal ; vasomed 29 (2017) 6-12
  2. Alvarez O et al (2012): Effectiveness of Intermittent Pneumatic Compression for the Treatment of Venous Ulcers in Subjects with Secondary (Acquired) Lymphedema. Vein 2012;5(1):32‐34.

2 Comments to “Ein offenes Bein lässt sich verhindern”

  1. Dankeschön für die Umfangreichen Informationen.
    Ich trage schon jahrelang Rosidal TCS System. Und wollte mal schauen ob es eine Alternative gibt. Denn ich verbrauch ca 15 x Rosidal Systeme im Monat. Vielleicht gibt es ja mittlerweile etwas was kostengünstiger und erfolgversprechender ist…
    ✌️

    1. Besten Dank für den Kommentar! Ja, langfristig sind die Bandagen kostspielig und auch aufwändig in der Anwendung. Die neuartigen Kompressionssysteme (Circaid Juxtacures, Juzo ACS oder ReadyWrap) bieten sich gerade zu an.
      Bleiben Sie gesund und alles Gute im 2021!

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